12.02.2017

Mein Kind hat eine unheilbare Krankheit – aber ich werde mich nie damit abfinden

Chris Müller Chris Müller
Huffington Post

Mein Kind hat eine unheilbare Krankheit - aber ich werde mich nie damit abfinden

Die Diagnose kam aus heiterem Himmel. Kurz nach der Geburt unseres Kindes vor sechs Jahren diagnostizierten Ärzte bei unserem Baby Mukoviszidose – eine bislang unheilbare Stoffwechselkrankheit.

Damals ahnten wir nicht, was mit dieser Diagnose auf uns zukommt. Wenige Monate später erlebten wir es. Unser Baby litt unter schweren Infektionen. Wir verbrachten Wochen auf der Intensivstation und unser Baby benötigte Sauerstoff. Doch das war nur der Anfang.

In der Zeit verstand ich, dass unser Baby sein Leben lang mit chronischem Husten, schweren Lungenentzündungen und massiven Verdauungsstörungen kämpfen wird.
Schlimmer noch: Die durchschnittliche Lebenserwartung von Mukoviszidose-Patienten liegt bei derzeit maximal 40 Jahren. Ein Urteil, das ich nicht akzeptieren kann, will und nie werde.


Der Weg, die Angst zu bändigen

In den Wochen nach der Diagnose dieser schweren Stoffwechselkrankheit, habe ich mich wie ein Zombie gefühlt. Ich habe irgendwie funktioniert, war aber nicht wirklich anwesend.
Ich konnte und wollte die Diagnose einfach nicht akzeptieren. Daher war ich von Anfang an überzeugt davon, handeln zu müssen und dem Schicksal nicht vorzeitig nachzugeben.

Angst darf uns nicht leiten, aber wir können sie in Energie umwandeln und ins Tun kommen. Für mich war klar, ich werde alles Erdenkliche in Bewegung setzen, um meinem Kind ein weitgehend normales Leben zu ermöglichen.

Daraus ist ein Projekt entstanden, das allen Mukoviszidose-Patienten eine neue Perspektive geben soll. Unser Ziel ist es, diese bislang unheilbare Krankheit in den nächsten zehn Jahren auszumerzen. Wir wollen die Welt von einer Geißel befreien.

Die Medizin liefert laufend Erfolgsmeldungen im Kampf gegen scheinbar unbeugsame Krankheiten. Ich bin jetzt 43 Jahre alt. In meiner Jugend kam das Thema Aids erstmals auf, damals ein sicheres Todesurteil.

Mit großen Aktionen, um Spendengelder in Millionenhöhe zu lukrieren, wurde ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Aids gemacht. Wer hätte vor zwei Jahrzehnten gedacht, dass Aids noch während meines Lebens so gut behandelbar wird?

Das motiviert mich, gegen die Krankheit meines Kindes weiter zu kämpfen und für eine Vision einzutreten. Und es ist meine Art, die eigene Angst vor dem Leid zu bändigen.


ATMOS – ein Silberstreifen am Horizont

Wir haben uns Großes vorgenommen, aber zu Beginn steht immer eine Idee. Unsere Vision ist: Wir bauen eine Stadt. ATMOS soll avantgardistisch werden, ein funkelndes Sinnbild guten Lebens – ein Silberstreif am Horizont, für unser Kind, alle Betroffenen und deren Angehörige.

Denn als Direktor für Entwicklung, Gestaltung und künstlerische Agenden in der Tabakfabrik Linz weiß ich, dass wir durch das Formen von Orten und Ökologien unsere Gesellschaft ein Stück weit verbessern – ich kenne die Kraft von positiven Visionen.
Für ATMOS ist mein Anspruch, einen Ort der Hoffnungen und der Forschung zu schaffen. Patienten sollen sich erholen, Wissenschaftler forschen, Kreative innovieren und Musen sollen küssen.

Das soll mein Beitrag im Leben werden. Nicht weil ich es mir ausgesucht hätte, sondern weil es so kam. Dank des Unternehmers Erwin Soravia traf ich genau den richtigen Architekten für einen solchen Ort: Wolf D. Prix von dem Wiener Architekturstudio Coop Himmelb(l)au – ein warmherziger Weltenbauer. Er entwirft Gebäude, die für Innovationskraft und Zukunft stehen.
Beim gemeinsamen Grillen sprachen wir über unsere Ideen. Eine Nacht lang. Im Morgengrauen sagten sie: „Pass auf, wir helfen dir. Wir machen das gemeinsam.“ Das war vor drei Jahren.

Seitdem hat Wolf D. Prix ein Resort entworfen, das wie eine biomechanischer Musentempel aussieht und der Funktion einer atmenden Lunge nachempfunden ist. Die Meeres-Luft zieht von außen durch ein ausgeklügeltes System durch alle Räume – sozusagen eine mediterrane Inhalationsmaschine.

Das bedeutet eine ungeheure Erleichterung für Mukoviszidose-Patient. Durch den Gendefekt produzieren viele Organen einen sehr zähen Schleim. Besonders spürbar ist das in der Lunge, wo die feinverzweigten Kapillaren verkleben und den Betroffenen die Luft regelrecht abschnürt. Daher muss unser Kind drei bis vier Mal täglich inhalieren.

Die Meeresbrise löst durch ihren hohen Salzgehalt den Schleim und lässt die Patient abhusten. Und durchatmen. Das Konzept eines Resorts, das mit Meeresluft durchströmt wird, ist einmalig und fungiert wie ein überdimensionales Inhalationsgerät – das bestätigen mir Mukoviszidose-Spezialisten.

200.000 Euro wurden bereits für Studien und Arbeiten zu diesem Projekt erbracht. Den Bau wollen wir mit Investoren verwirklichen und dafür treten wir nun verstärkt in der Öffentlichkeit auf. Wir suchen das passende Grundstück, Geldgeber, Betreiber und Mitstreiter.


Das Größtmögliche gegen die häufigste Erbkrankheit unserer Zeit

Als wir nun die Facebook-Seite gestartet haben, hat sich sehr schnell gezeigt, wie sehr die Initiative betroffenen Familien aus der Seele spricht. Wir erhalten laufend Zuschriften und Dankes-Mails. Sehr gutes Feedback kommt auch von fachlich versierten Personen.
Wir lenken nun den Fokus verstärkt auf die Mukoviszidose-Forschung. Laut CF Austria Verband und Netdoktor ist Mukoviszidose die häufigste Erbkrankheit in unserer Bevölkerung. In Österreich kommt alle 15 Tage ein Kind mit dieser Diagnose zur Welt kommt, in Deutschland sind es rund 200 pro Jahr.

Die starke Solidarität in der Öffentlichkeit und den Willen zu helfen, spüren wir jetzt schon. Es gibt bereits zahlreiche Unterstützer, aber zur Realisierung von ATMOS brauchen wir noch mehr. Es wird ein langer und intensiver Weg.

Wir nutzen den öffentlichkeitswirksamen Auftritt auch um Spenden zu sammeln, – nicht für den Bau des Gebäudes, dieser wird privat finanziert – die wir weiter verteilen: zur Hälfte fließt das Geld in die Forschung und zur anderen Hälfte in die Soforthilfe für betroffene Familien.

Wir kommen mittlerweile gut zurecht, andere Familien sind hier schlimmer betroffen und sind dringend auf diese Hilfe angewiesen. Diese Menschen wollen wir unterstützen.

Meine Frau und ich waren schon vor dieser Diagnose im Sozialwesen engagiert. Ich bin ehrenamtlich für die Volkshilfe tätig, meine Frau hat bereits vor der Geburt der Kinder schwer beeinträchtigten Menschen geholfen und studiert jetzt soziale Arbeit.

Zudem hat sich Dr. Maria Dietrich, eine langjährige Freundin der Familie, ausgestattet mit bester Kompetenz aus dem Gesundheits-, Sozial- und Kommunikationswesen, entschieden, als Dreh- und Angelpunkt für ATMOS hauptberuflich zu fungieren und das Projekt tatkräftig voran zu treiben. Nun arbeiten wir gemeinsam an dieser großen Idee und hoffnungsvollen Vision. Aus ATMOS schöpft meine Familie Kraft, wie auch aus diesen besonders schönen Momenten: Ich erinnere mich in einer dunklen Stunde an die Geburtstagsfeiern oder einen tollen Ausflug mit den Kindern. Denn ich weiß nicht, wie viel Zeit die uns die Krankheit noch lässt.

Mit ATMOS haben wir einen Leuchtturm am Horizont, auf den wir schauen können, nach vorne schauen können.

Dieser Beitrag ist erschienen unter www.huffingtonpost.de/chris-mueller